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Pfiat di Gott, Gold-Rosi!

Gold-Rosi ist tot. Die Sportwelt trauert um Rosi Mittermaier. Die alpine Ski-Legende und zweimalige Olympiasiegerin ist im Alter von 72 Jahren in Garmisch-Partenkirchen verstorben. Unser Autor Ronald Toplak durfte einen äußerst bodenständigen, herzlichen Superstar kennenlernen. Ein Nachruf.

Sie wurde über Nacht zum Liebling der deutschen Fans. Auch bei mir. Bei Olympia 1976 in Innsbruck holte sie zweimal Gold und einmal Silber. Wahnsinn! 

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Ich weiß es wirklich noch wie heute. Am 8. Februar, nur drei Tage nach meinem 11. Geburtstag, wurde Mittermaier Olympiasiegerin in der Abfahrt.  Zuvor hatte sie im Weltcup noch nie in der Königsdisziplin gesiegt. Was für ein Jubel im heimischen Wohnzimmer. Goldfieber im Hause Toplak. Dabei waren zumindest meine Versuche auf Skiern ein paar Jahre zuvor kläglich und mit viel Tränen gescheitert. Ich glaube, der Ausdruck „Idiotenhügel“ ist auf mich zurückzuführen. Egal. In jenem Winter holte Gold-Rosi auch noch den Sieg im Gesamtweltcup. Am Saisonende trat sie im Alter von nur 25 Jahren zurück. Auf dem Höhepunkt der Karriere. Doch ihre Popularität riss niemals ab. „In meinem Elternhaus war ein ganzes Zimmer voll mit Post und Paketen. In einem Monat sind 27.000 Briefe gekommen, das hat uns der Postbote erzählt, der ist total narrisch geworden, weil er die ganze Flut rauf auf die Winklmoosalm bringen musste“, erinnerte sich Mittermaier anlässlich ihres 70. Geburtstags.

Selten habe ich beruflich eine freundlichere Sportlerin kennengelernt. Es war ein Pressetermin in einem Kaufhaus in der Wilmersdorfer Straße. Ganz zu Beginn meiner Karriere vor rund 30 Jahren. Ich traf sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Christian Neureuther, ebenfalls ein ehemaliger Top-Star im alpinen Ski-Zirkus. Wie dann auch der gemeinsame  Sohn Felix, der damals noch ein kleiner Junge war. 

Ein Exklusiv-Termin. Ich war aufgeregt. Gold-Rosi. Eine Heldin meiner Kindheit. Gebannt hatte ich wie gesagt ihre Triumphfahrten verfolgt. Im Rausch. Wie ganz Deutschland. Nun war ich ihr ganz nah. Ein Traum wurde Wirklichkeit. Beide machten es mir einfach. Sie empfingen mich, als ob wir uns schon Jahre kennen. Wunderbar natürlich. Unverkrampft, bodenständig und völlig frei von Allüren. Wir scherzten. Lachten. Hatten Spaß. Besonders lustig fanden die beiden meinen – formulieren wir es freundlich – Berliner Akzent. Kodderschnauze trifft es wohl eher. Meine Mutter schämte sich, als ich davon erzählte, in Grund und Boden. „Berliner nicht so“, hatte sie geradezu gebetsmühlenartig gepredigt. Vergeblich. 

Ein bisschen stolz war sie dann aber schon. Das Foto, das am Ende des Termins gemacht wurde, hing danach wie eine Trophäe über Jahrzehnte am elterlichen Kühlschrank. Leider ist es bei diversen Umzugswirren meinerseits irgendwann verloren gegangen. Der Kollege Jürgen Engler war glaube ich der Fotograf. Ich muss ihn mal fragen, ob er es vielleicht noch archiviert hat.

Die Herzlichkeit der beiden war jedenfalls überwältigend. Immer, wenn ich sie später im TV sah, dachte ich daran. Es war fast so, als ob man Freunde auf dem Bildschirm sehen würde. Natürlich war ich betroffen, als die Todesnachricht am Donnerstag für mich völlig überraschend als Eilmeldung aufploppte. 

Mein Vater arbeitete häufig in Grassau am Chiemsee. Nicht weit entfernt von Reit im Winkel, wo Gold-Rosi aufwuchs. Er vergaß nie darauf hinzuweisen, wenn wir bei Familien-Ausflügen den Ort besuchten. Auf der Winklmoosalm verbrachte Rosi  eine unbeschwerte Kindheit und Jugend, fühlte sich selbst ein wenig wie die Schweizer Kinderbuchheldin „Heidi“. Ein Stück Heimat, wie sie stets betonte. „Da muss mer halt auch a Liebe halt ham zum Berg und muss mer auch wissen, dass mer net nur einfach nebenan geht und sich’s Brot kauft oder irgendwie einkaufen geht, sondern mer muss da alles im Ort unten und irgendwo vorher den Kopf beinand haben und einkaufen. So war’s früher, so is heute, aber natürlich wird mer entschädigt durch einen Traum an Gegend und an Landschaft,“ sagte sie einmal. 

Die Winklmoosalm ist ein Magnet, fast eine Pilgerstätte. Pflichtprogramm für Skisportbegeisterte. Schließlich hat Rosi hier zum ersten Mal die „Brettln“ angeschnallt.

Wenn die Berge Trauer tragen. Der deutsche Wintersport verliert eine seiner erfolgreichsten Heldinnen,  die nach schwerer Krankheit „im Kreise der Familie friedlich eingeschlafen“ ist.

Mit ihrem Mann widmete sie sich intensiv Charity-Tätigkeiten. 2005 wurde ihr für ihr gesellschaftliches Engagement das Bundesverdienstkreuz verliehen. Sie hatte wahrlich ein Herz aus Gold.

Die Liebe zum Sport war prägend in ihrem Leben. Ich sah, wie ihre Augen glänzten. Weit aufgerissen vor Glück, wenn sie vom Skifahren sprach. „Das reine Skifahren ist für mich immer noch das Schönste, was es gibt und wo mir immer das Herz aufgehen wird“, sagte die Alpin-Ikone.

Rosi Mittermaier blieb immer sie selbst. Ehrlich. Offen. Freundlich. Wie ich selbst erfahren durfte. Man badete in ihrer warmen Ausstrahlung.  Sie hat tiefe Spuren hinterlassen. Nicht nur im Schnee. Sondern mit ihrer ungekünstelten Natürlichkeit vor allem in den Herzen der Menschen. Ein schöneres Kompliment kann es nicht geben. Pfiat di Gott, Gold-Rosi!

Foto: picture alliance / SVEN SIMON